AUGUST
Staatsballett Berlin doppelt ausgezeichnet
Doppelte Auszeichnung für das Staatsballett Berlin im Jahrbuch 2024 der Zeitschrift tanz: In der Jahresumfrage zur Saison 2023/24 wählten die Kritiker*innen Weronika Frodyma zur «Tänzerin des Jahres» und das Staatsballett Berlin zur «Kompanie des Jahres».
In den Würdigungen heißt es: "Die in Polen geborene Tänzerin ist sensationell als Emma Bovary, die Inszenierung atmet mit ihr. Frodyma gelingt es, die Entwicklung der unglücklichen Heldin auf eindringliche Weise nachzuzeichnen: von der naiven Provinzschönheit, die sich in kitschig-romantische Wunschwelten flüchtet, zur Ehebrecherin aus Langeweile. Dabei entfaltet sie die ganze Gefühls-Palette: Sehnen und Schmachten, romantische Exaltation, den Taumel der Lust – und schließlich die Desillusionierung, den Absturz in Trübsal und Verzweiflung."
Sandra Luzina im «Jahrbuch 2024» der Zeitschrift tanz
"Eine Dramaturgie auf zeitgenössisch zu trimmen, das ist nicht schwer. Aber zu erkennen, wann man einem Ensemble Klassik abfordern darf und wann man ihm Moderne zumuten kann, das ist große Kunst. Spuck kann seinen Tänzer*innen viel zumuten, nicht nur den Stars, sondern auch dem Corps de ballet. Man muss den Hut ziehen vor dem, was dieses Ensemble kann, wie vielschichtig, divers, neugierig es bei aller technischen Brillanz agiert."
Falk Schreiber im Jahrbuch 2024 der Zeitschrift tanz.
(Pressemitteilung, Staatsballett Berlin, Berlin, 20. August 2024)
Hexenkessel Hoftheater Gründer Jan Zimmermann gestorben
Der künstlerische Leiter des Hexenkessel Hoftheaters in Berlin Jan Zimmermann ist am 31. Juli mit 63 Jahren an einem Herzinfarkt gestorben.
Jan Zimmermann wurde 1961 in Greifswald/ Mecklenburg Vorpommern geboren. Er arbeitete als Töpfer, Heizer und Bühnenarbeiter in der ostdeutschen Provinz bevor er Regie an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin studierte. In den 1990 gründete er in der Schönhauser Allee 177 b das Hexenkessel Hoftheater. Nach dem Verlust des Hauses zog die Truppe im Jahr 2000 in den Monbijoupark und wurde dort zu einer Institution für Open-Air-Inszenierungen klassischer Stücke im Sinne eines lebendigen Volkstheaters. Bekannt wurde das Ensemble auch mit der Spielstätte Märchenhütte Berlin, in denen sie minimalistisch kunstvolle Kammerstücke nach den Märchen der Gebrüder Grimm spielten. Nach dem Umzug des Ensembles im Herbst 2015 ins Pfefferberg-Theater begründete Zimmermann mit dem Hexenberg-Ensemble den Glaspalast mit und blieb diesem bis zuletzt als Regisseur und künstlerischer Leiter treu.
"Jan Zimmermann war mehr als nur ein Künstler. Er war ein Mensch von großer Seele und Geist. Sein kostbarer innerer Reichtum, sein kluger, scharfer Witz, seine Empfindsamkeit, seine Sprachgewalt und seine unerschütterliche Liebe zum Theater, zu den Geschichten, haben uns bis ins Tiefste geprägt." schreibt das Hexenberg Ensemble in seinem Nachruf. "Er war unser künstlerischer Kompass, streitbar, leidenschaftlich, bis auf den Punkt genau."
(Pressemitteilung, Hexenkessel-Hoftheater Berlin / Hexenberg Ensemble, 9. August 2024)
Das Berliner Ensemble trauert um den Schauspieler Luca Schaub
Das Berliner Ensemble trauert um den 1988 in Langenhagen geborenen Schauspieler Luca Schaub, der am 2. August mit nur 36 Jahren nach kurzer schwerer Krankheit in Berlin verstorben ist. Er gehörte von 2013 bis 2017 dem Berliner Ensemble an.
Luca Schaub studierte von 2010 bis 2013 Schauspiel an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Graz. Im Anschluss war er bis 2017 Teil des Berliner Ensembles unter der Intendanz von Claus Peymann. Hier spielte er u.a. in zahlreichen Inszenierungen von Leander Haußmann ("Woyzeck", "Die Räuber", "Drei Schwestern", "Hamlet") sowie von Claus Peymann ("Kafkas Prozeß", "Prinz Friedrich von Homburg") und Robert Wilson ("Faust", "Peter Pan", "Die Dreigroschenoper"). Im Anschluss war er als freier Schauspieler u.a. im Tipi am Kanzleramt (Cliff in "Cabaret") sowie an der Neuköllner Oper und an der Komischen Oper Berlin. 2019 führte er außerdem Regie bei “Ali Baba” mit dem Hexenberg-Ensemble im Glaspalast des Pfefferberg Theaters.
Unsere Gedanken sind bei seiner Frau, seiner Familie und seinen Freund:innen.
(Berliner Ensemble, Pressemitteilung, 9. August 2024)
JULI
Intendanzduo Christina Schulz und Alexander Riemenschneider verlängert
Das Intendanzduo Christina Schulz und Alexander Riemenschneider verlängert seine Verträge am Jungen Staatstheater Berlin um fünf Jahre bis 2031. Seit September 2021 leiten die beiden das Theater an der Parkaue, eines der größten Staatstheater für junges Publikum im deutschsprachigen Raum. Zudem trieben sie die Diversitätsentwicklung auf und hinter der Bühne wegweisend voran und verankerten wichtige Themen wie Inklusion und Teilhabegerechtigkeit im Profil des Hauses.
"Sie haben bewiesen, dass das Theater an der Parkaue ein Ort der künstlerischen Qualität und der Begegnung, der Vermittlung und der Innovation ist." Joe Chialo
(Pressemitteilung Theater an der Parkaue, 18. Juli 2024)
JUNI
Max Gindorff erhält den Helene Weigel Theaterpreis
Der Helene Weigel Theaterpreis geht in diesem Jahr an den Schauspieler Max Gindorff. Der mit 5.000 Euro dotierte Preis, der außergewöhnliche künstlerische Leistungen am Berliner Ensemble sichtbar machen und fördern will, wird zum dritten Mal vom Freundeskreis des Berliner Ensemble e.V. vergeben.
Ensemblemitglied Max Gindorff stand in der Spielzeit 2023/24 u.a. in den Neuproduktionen „Woyzeck“ von Georg Büchner, „Mutti, was machst du da?“ von Axel Ranisch und Paul Zacher, „Hedda“ von Henrik Ibsen und „RCE“ von Sibylle Berg auf der Bühne. Max Gindorff erhält den Helene Weigel Theaterpreis für seine herausragenden schauspielerischen Leistungen am Berliner Ensemble.
„Frei, beweglich, offen, sensibel, ironisch, ohne Voreingenommenheit und unangepasst – Max Gindorff fasziniert am Berliner Ensemble auf allen drei Bühnen. Er findet sich in unterschiedlichsten Rollen und Spielstätten ein und sucht dabei stets nach eigenwilligen Lösungen, die eine Produktion als ganze voranbringen. Gindorff strahlt eine Spielfreude und -tiefe aus, die ein emotionales Zusammenspiel mit seinen Schauspielkolleg:innen auf der Bühne entstehen lässt und das Publikum schnell ergreift und mitreißt.“, so die Begründung der Jury.
Der Preis ist auch eine Hommage an die Schauspielerin Helene Weigel (1900-1971) , die als langjährige Intendantin und Schauspielerin prägend für das Berliner Ensemble war.
(Pressemitteilung Berliner Ensemble, 27. Juni 2024)
Keine Bauruine für das Stammhaus der Komischen Oper Berlin. Baustopp der Komischen Oper Berlin ist keine Lösung für das Haushaltsproblem der Stadt
„Die Berichterstattungen über einen möglichen Baustopp unseres Stammhauses in Berlin Mitte haben uns entsetzt. Wir sind mitten im Prozess, ihn jetzt zu stoppen wäre politisch unverant- wortlich und fahrlässig“, sagen Susanne Moser und Philip Bröking, die Ko-Intendanz der Komischen Oper Berlin. „Offensichtlich gibt es Diskussionen im Senat, das seit bald 60 Jahren unsanierte und baufällige, denkmalgeschützte Gebäude zu einer Bauruine werden zu lassen – we- nige hundert Meter vom Brandenburger Tor entfernt – oder die Finanzierung der Sanierung auf Jahre zu verschieben. Damit würde der Berliner Senat das Problem nur verschieben, aber nicht lösen. Die Dauer des Umbaus zu strecken, ist der Garant für eine Kostenexplosion: jedes Jahr Verzögerung bedeutet 40 Millionen Euro Mehrkosten!“
Die Komischen Oper Berlin ist eine der wichtigsten Kulturinstitutionen Berlins: in Ostdeutschland entstanden, hat sie sich von dort aus über alle Grenzen hinweg zu einem weltweiten Modell für aktuelles und für alle Schichten zugängliches Musiktheater entwickelt. Sie gilt als Impulsgeberin für niedrigschwellige, zeitgemäße Oper. „Derzeit bespielen wir das Schillertheater, das aufgrund seiner begrenzten Platz- und Lagerkapazitäten und der für Musiktheater schwierigen Akustik nur als Interimslösung geeignet ist. Dies führt zu erheblichen Einschränkungen im Angebot und Repertoire. Eine Bespielung auf Dauer würde die Komische Oper Berlin künstlerisch und finanziell ausbluten und damit in ihrer Existenz gefährden.“, so Susanne Moser und Philip Bröking. „Ein den aktuellen Planungen entsprechender Bau hingegen steht für den Glauben an die Zukunft Berlins als Kulturstandort und lebenswerte Stadt.“
(Pressemitteilung, Komische Oper Berlin, 3. Juni 2024)
MAI
Annemie Vanackere bleibt bis 2028 Intendantin der Hebbel-Theater Berlin GmbH (HAU)
Seit 2012 hat Annemie Vanackere die künstlerische Leitung und Geschäftsführung der landeseigenen Hebbel-Theater Berlin-GmbH inne. In dieser Zeit hat sie das Hebbel am Ufer (HAU) sowohl als Ankerinstitution für in Berlin lebende und arbeitende Künstlerinnen und Künstler als auch als Produktions- und Aufführungsort für internationale Entwicklungen erfolgreich positioniert. In den letzten Jahren trieb sie zudem die Entwicklung digitaler Formate im Bereich Performing Arts mit der virtuellen Spielstätte HAU 4 wegweisend voran.
"Das HAU Hebbel am Ufer ist ein Ort, der dazu einlädt, ins Risiko zu gehen, vor allem in das Risiko, die eigene Meinung und Weltsicht durch Austausch mit anderen zu verändern. Und das mit Spaß und Freude!“
Sarah Wedl-Wilson, Staatssekretärin für Kultur und Aufsichtsratsvorsitzende der Hebbel-Theater Berlin GmbH: „Als Ort für die Freie Szene ist das HAU essentiell für Berlin. Annemie Vanackere ist sehr erfolgreich dabei, einen kreativen Kontext zu schaffen für Berliner Künstlerinnen und Künstler und die Vernetzung mit der internationalen Szene. Ich freue mich deshalb sehr, dass sie ihre tolle Arbeit ab der Spielzeit 2025/2026 für weitere drei Jahre mit Blick in die Zukunft fortsetzen wird.“
Annemie Vanackere, künstlerische Leiterin und Geschäftsführerin des HAU: „Ich freue mich, das andauernde Vertrauen des Landes Berlin zu haben und die Chance zu bekommen, weiter mit meinem Team an künstlerischen Antworten auf die Krisen der Gegenwart zu arbeiten. Dafür, das haben wir gelernt, müssen auch wir uns verändern lassen durch Entwicklungen in der Gesellschaft und der Umwelt, damit wir eine resiliente und zugängliche Institution bleiben. Es bleibt mir wichtig, neben dem internationalen und interdisziplinären Programm auf unseren drei Bühnen HAU1, HAU2 und HAU3, weiter auch in die digitale Plattform HAU4 zu investieren. Es geht darum, die Potenziale für die ‚künstlerischen Manöver für die digitale Gegenwart anzuerkennen und anzusprechen. Das HAU Hebbel am Ufer ist ein Ort, der dazu einlädt, ins Risiko zu gehen, vor allem in das Risiko, die eigene Meinung und Weltsicht durch Austausch mit anderen zu verändern. Und das mit Spaß und Freude!“
(Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Pressemitteillung, 8. Mai 2024)
April
Deutscher Tanzpreis 2024 für Sasha Waltz
Sasha Waltz wird von der Jury für ihre internationale Strahlkraft, ihr Engagement für die Strukturen der freien Tanzszene und allem voran für ihr künstlerisch einmaliges und genreübergreifendes Gesamtwerk mit dem Deutschen Tanzpreis 2024 ausgezeichnet.
"Sasha Waltz ist unbestritten national und international eine der renommiertesten Künstlerinnen im Bereich des Tanzes in Deutschland."
„Als Tänzerin, Choreografin und Regisseurin, deren Lebens- und Arbeitsmittelpunkt in Berlin verortet ist, hat sie mit ihrer Kunst die Entwicklung des zeitgenössischen Tanzes seit Beginn der neunziger Jahre maßgeblich mitgeprägt. Dabei hat sie ihre unverwechselbare choreografische Handschrift und ihren ästhetischen Zugriff bis heute weiterentwickelt. Sasha Waltz ist unbestritten national und international eine der renommiertesten Künstlerinnen im Bereich des Tanzes in Deutschland. […] In enger Zusammenarbeit mit ihrem Lebens- und Arbeitspartner Jochen Sandig hat sie dem Tanz immer wieder neue Räume erschlossen u. a. durch die Gründung der Sophiensæle (1996) und des Radialsystems (2006) und national sowie international neue Publika für den Tanz gewonnen. Mit ‚Sasha Waltz & Guests wurde eine Kompaniestruktur geschaffen, die der Künstlerin große internationale Kooperationen genauso ermöglicht wie das Experimentieren mit neuen Formen und in der auch Tänzer*innen der Kompanie in ihrer Kreativität gefördert werden.“
Neben Sasha Waltz wird Dieter Heitkamp mit einer Ehrung für das Lebenswerk ausgezeichnet und explore dance – Netzwerk Tanz für junges Publikum für herausragende Entwicklung im Tanz geehrt. Der Deutsche Tanzpreis ist die höchste Auszeichnung, die der Tanz in Deutschland zu vergeben hat. Mit ihm werden herausragende Persönlichkeiten des Tanzes in Deutschland ausgezeichnet.
Mitte März hat die Jury (Juryvorsitzende Dr. Adriana Almeida Pees) die Preisträger*innen des Jahres 2024 gewählt. Der Deutsche Tanzpreis 2024 für Sasha Waltz ist mit 20.000 € dotiert. Die Ehrungen für Dieter Heitkamp und explore dance sind mit einer Zuwendung von jeweils 5.000 € verbunden. Die Jury hat die Preisträger*innen aus zahlreichen Vorschlägen, welche von Verbänden, Institutionen und Tanzschaffenden übermittelt wurden, ausgewählt.
(Dachverband Tanz Deutschland, Pressemitteilung, 24.2.2024)
O.E. Hasse-Preis 2024 an Antonia Siems
Die O.E. Hasse-Stiftung vergibt den O.E. Hasse-Preis 2024 an Antonia Siems, Studierende des 3. Studienjahres der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch, Berlin. Der Preis ist mit 5.000 Euro dotiert und wird im jährlichen Wechsel an Studierende der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch und der Münchner Otto Falckenberg Schule vergeben, um herausragende Begabungen zu fördern.
Antonia Siems, geboren 2001 in Saarbrücken, erwarb die Hochschulreife 2020 als Waldorf-Schülerin in Nürnberg und schloss ein Studium der Philosophie und Germanistik an der Universität Erlangen-Nürnberg mit dem Bachelor ab. Anfang 2022 bestand sie die Zulassungsprüfung an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin und nahm, nach einer Hospitanz für Bühnentechnik und Beleuchtung an der Vagantenbühne, zum Sommersemester 2022 das Schauspielstudium auf.
Aus der Jury-Begründung von Klaus Völker:
„Antonia Siems, die auch von Oper und Tanz fasziniert ist, und die sich selbst ebenso im Beruf der Gärtnerin, Köchin oder Schreinerin hätte sehen können, treibt Lebensneugier um; sie achtet auf die Kleinigkeiten und Merkwürdigkeiten, die nicht ins Gesamtkonzept einer Person passen. Die Figuren, die sie spielt, hält sie offen, sie bleiben durchsichtig und widersprüchlich. Alles Gesicherte lässt sie wieder in ungesicherte Zonen entgleiten, sie ‚entkörpert‘ die Figur, um ihr dann wieder einen Körper zu geben und Präsenz und Geltung zu verleihen. Sie überzeugte als ideale Darstellerin der Lulu in der Urfassung des Dramas von Wedekind (...)".
Der O.E. Hasse-Preis wird seit 1981 von der O.E. Hasse-Stiftung verliehen, die von der Akademie der Künste betreut wird. Die Akademie erfüllt damit das Vermächtnis des Bühnen- und Filmschauspielers Otto Eduard Hasse (1903-1978), den Schauspielnachwuchs zu fördern. Das Auswahlgremium für die Preisvergabe setzt sich aus Mitgliedern des Vorstands der Stiftung zusammen, dem Vorsitzenden Klaus Missbach (Wien/Nürnberg) sowie André Jung (München), Klaus Völker (Berlin) und Jossi Wieler (Berlin), die zugleich auch Mitglieder der Sektion Darstellende Kunst der Berliner Akademie der Künste sind.
(Akademie der Künste, Pressemitteilung, 24.4.2024)
Wasser-Havarie im Großen Haus: Berliner Ensemble geht von Millionenschaden aus
Nach der Wasser-Havarie am vergangenen Freitag, 5. April durch die Auslösung der Sprinkleranlage im Großen Haus des Berliner Ensembles wird aktuell geprüft, wie ein eingeschränkter Notfallspielplan in den nächsten Tagen und Wochen möglich ist. Die vollständige Beseitigung aller Schäden wird vermutlich bis zum Beginn der kommenden Spielzeit dauern. Ob die Uraufführung von Sibylle Bergs „RCE“ am 25. April den-noch wie geplant stattfinden kann, ist aktuell noch nicht absehbar. Das Berliner Ensemble rechnet mit einer siebenstelligen Schadenssumme aufgrund des Wasserschadens sowie mit weiteren erheblichen finanziellen Einbußen durch ausfallende Vorstellungen. Eine genauere Einschätzung der Schadenshöhe ist erst nach Be-endigung der laufenden Analysen möglich.
„Der Schock sitzt im ganzen Haus noch tief. Ich bin sehr froh, dass niemandem etwas zugestoßen ist und danke sowohl dem Publikum für die besonnene Reaktion als vor allem auch allen Kolleginnen und Kollegen für ihr schnelles und umsichtiges Eingreifen. Wir müssen jetzt erstmal in Ruhe prüfen, wie stark die Technik im Bühnen-raum beschädigt ist. Durch die schnellen Reaktionen unserer Mannschaft und die ersten Sofortmaßnahmen noch am Freitag in der Nacht konnten wir den Schaden, soweit es ging, begrenzen. Noch können wir leider nicht sagen, wann wir wieder spielen können bzw. unter welchen Einschränkungen. Für uns ist jede ausgefallene ausverkaufte Vorstellung natürlich zudem eine finanzielle Katastrophe. Klar ist aber auch, wir wollen unbedingt und sobald wie irgend möglich, wieder für unser Publikum spielen.“ (Oliver Reese)
Am 5. April löste während der Pause von Iwanow aus bisher noch ungeklärten Gründen die Sprinkleranlage im Großen Haus aus und rund 15.000 Liter Wasser setzen den kompletten Bühnenraum sowie die Unter-bühne unter Wasser. Aktuell wird geprüft, wie stark die Technik der Ober- und Untermaschinerie beschädigt wurde, insbesondere Scheinwerfer und Beleuchtungsequipment, Elektrozüge, das Inspizientenpult und Tontechnik wurden durch die Wassermassen stark in Mitleidenschaft gezogen. Es ist nach einer ersten Einschätzung von zum Teil irreparabel defekten Geräten in hoher Anzahl auszugehen. Daneben wurde auch das aufgebaute Bühnenbild sowie der Bühnenboden stark beschädigt.
(Berliner Ensemble, Presseinformation, 8. April 2024)
März
Berliner Bühnen: Besucherzahlen auf Vor-Corona-Niveau
Die Berliner Bühnen und Orchester blicken 2023 auf Veranstaltungen mit einer stärker werdenden Publikumsfrequenz zurück. Die institutionell geförderten Theater, Orchester und Tanzgruppen konnten im abgelaufenen Jahr 2023 in Berlin rund drei Millionen zahlende Besucherinnen und Besucher zählen. Die Zahlen schließen damit an das Jahr 2019 an.
Der Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Joe Chialo, erklärt: „Der Hunger des Publikums ist zurück, Berlinerinnen und Berliner, Gäste aus aller Welt, füllen die Säle unserer Bühnen und Orchester wieder wie vor Corona. Das ist eine sehr gute, eine sehr erfreuliche Nachricht für die Berliner Kulturlandschaft. Hunger allein genügt aber nicht: Es ist das Angebot der Berliner Bühnen, das diesen Appetit anregt und den Hunger nach Kultur stillt. Dass dies gelingt, dafür arbeiten unsere Häuser hart – Jede und Jeder an seinem Platz, auf und hinter den Bühnen. Dafür meinen allerherzlichsten Dank!“
(Pressemitteilung, Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, 28. März 2024)
Rainer Simon wird Künstlerischer Leiter der Neuköllner Oper
Der Dramaturg und Festivalleiter Rainer Simon wird ab August 2025 die Künstlerische Leitung der Neuköllner Oper übernehmen. Bernhard Glocksin, der das Haus die letzten 20 Jahre künstlerisch geprägt hat, verlässt die NKO aus Altersgründen und wendet sich freiberuflich anderen Aufgaben zu. Rainer Simon ist Künstlerischer Leiter des Festivals Schall&Rausch und Leiter der Außenspielstätten der Komischen Oper Berlin. Von 2012 bis 2022 war er Referent des Intendanten der Komischen Oper Berlin, Barrie Kosky.
Jürgen Maier, Vorstandsvorsitzender des Trägervereins: „Die Neuköllner Oper hat sich unter der zwei Jahrzehnte dauernden Künstlerischen Leitung von Bernhard Glocksin zu einem international wie regional begehrten Uraufführungs- und Produktionshaus für zeitgemäßes Musiktheater entwickelt. Wir freuen uns darauf, diesen Weg mit neuen Impulsen durch Rainer Simon weiterzugehen.“
Rainer Simon: „Neukölln und Oper: Für mich gibt es keine besseren Zutaten, um spannendes Musiktheater zu programmieren. In Neukölln liegen die Diskurse für ein gesellschaftlich relevantes Musiktheater quasi auf der Straße. Und kaum ein anderes Genre bietet eine derartige Formenvielfalt und zugleich derart viele Reibungsflächen wie die Oper. Dies an einem wunderbaren Haus mit einem wunderbaren Team zusammenzudenken – darauf freue ich mich sehr!“
Die Ko-Intendanz der Komischen Oper Berlin, Susanne Moser und Philip Bröking: „Nach 13 Jahren an der Komischen Oper Berlin ist das ein toller und folgerichtiger Karriereschritt. Wir gratulieren und danken unserem geschätzten Kollegen! Mit großem Engagement leitet er die Außenspielstätten der Komischen Oper Berlin und steht maßgeblich für das Programm unseres Festivals für brandneues Musiktheater „Schall&Rausch“, nach dem er als Referent an Barrie Koskys Seite dessen Intendanz ebenso engagiert begleitet hat. Wir werden ihn in unserem Team vermissen, freuen uns aber auch auf die Zusammenarbeit in seiner neuen Funktion.“
Auf die Ausschreibung hatten sich über 60 Personen bzw. Teams um die Position beworben. Nach einem zweistufigen Verfahren schlug die Auswahlkommission (bestehend aus Mitgliedern des Trägerverein-Vorstands, des Direktoriums sowie der beiden externen Expert*innen Cordula Däuper, Regisseurin und dem langjährigen Opernintendanten und Regisseur Berthold Schneider) Rainer Simon als neuen Künstlerischen Leiter vor. Der Vorstand folgte diesem Votum einstimmig.
(Neuköllner Oper, Pressemitteilung vom 5. März 2024)
FEBRUAR
Joe Chialo zum Tod des Volksbühne-Intendanten René Pollesch
Am 26. Februar 2024 verstarb der Autor und Regisseur René Pollesch unerwartet mit 61 Jahren. Er war bis zuletzt Intendant der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gewesen. Senator Joe Chialo hat am heutigen 27. Februar die Volksbühne besucht und zu den trauernden Mitarbeitenden gesprochen.
Joe Chialo, Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt: „Mit großer Bestürzung habe ich gestern vom Tod des Intendanten der Volksbühne, René Pollesch, erfahren. Mit René Pollesch verlieren wir einen der profiliertesten Theatermacher unseres Landes, einen klugen und humorvollen Charakterkopf. In schwierigen Zeiten hat er 2021 die Volksbühne übernommen und hat nicht nur in seiner kurzen Zeit als Intendant das Haus geprägt. Ich bin traurig und meine Gedanken sind bei seiner Familie, seinen Freunden und seinen Kolleginnen und Kollegen der Volksbühne.“
René Pollesch studierte im ersten Jahrgang am Institut für Angewandte Theaterwissenschaft der Universität Gießen und arbeitete an verschiedenen deutschsprachigen Theatern als Regisseur und Autor. In Berlin waren seine Stücke, die er häufig selbst inszenierte, an der Volksbühne und am Deutschen Theater zu sehen. Unter der Intendanz von Frank Castorf leitete er zeitweise den Prater im Prenzlauer Berg als eine Spielstätte der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz. Pollesch gilt als einer der bedeutendsten Vertreter des postdramatischen Theaters in Deutschland und wurde für seine Arbeiten vielfach ausgezeichnet und international beachtet. 2021 übernahm er die Intendanz der Volksbühne. Mit seiner Intendanz sind neben seinen eigenen Arbeiten unter anderem Erfolge wie die Produktion „Ophelia‘s got Talent“ von Florentina Holzinger verbunden.
(Senatsverwaltung für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt, Pressemitteilung, 27.02.2024)
Mehr zum Tod von Renée Pollesch auf nachtkritik.de:
- Der Nachruf der nachtkritik-Redaktion auf René Pollesch von Janis El-Bira, Christian Rakow, Esther Slevogt und Christine Wahl
- Fabian Hinrichs' Abschiedsbrief für René Pollesch.
Verleihung des Theaterpreis Berlin an Nele Hertling
Nele Hertling wird für ihre Verdienste für das Theater, insbesondere für ihre Leistungen als Dramaturgin, Kuratorin und Intendantin und für die Gründung mehrerer Förderfonds und Netzwerke, geehrt. Die Bekanntgabe erfolgte anlässlich des 90. Geburtstags der Preisträgerin zum 23. Februar 2024.
„Nele Hertling ist seit vielen Jahrzehnten von zentraler Bedeutung für den zeitgenössischen Tanz in Deutschland. Sie war ausschlaggebend für die internationale Vernetzung und ästhetische Horizonterweiterung der Freien Szene."
Matthias Pees, Intendant der Berliner Festspiele
In der Jurybegründung heißt es: „Seit über 60 Jahren transformiert Nele Hertling Berlin. Durch radikal zeitgenössische Kunst und Künstler*innen, deren selbstbestimmte und eigensinnige Arbeit sie unterstützt, ermöglicht, fördert und begleitet. Für die sie Räume und Möglichkeiten, Kontinuitäten und Wirksamkeit schafft. Und für die sie Kulturinstitutionen, Festivals, Förderfonds, Netzwerke und Partnerschaften erfunden, initiiert, gegründet oder umdefiniert hat. […] Sie hat die internationale Kunstavantgarde ins Nachkriegsberlin gebracht und zugleich dafür gesorgt, dass die Stadt und mit ihr das ganze Land die künstlerische Moderne in Deutschland vor 1933 wiederentdeckten, deren Traditionslinien in der Nazizeit abgerissen worden waren. […] Nele Hertling hat als Dramaturgin, Kuratorin und Intendantin alle diese Berufsbilder auf neue Weise definiert. Sie setzte alternative und grenzüberschreitende Produktionsweisen in den Darstellenden Künsten jenseits der Stadt- und Staatstheater und für die Freie Szene durch und etablierte mit dem Hebbel-Theater, aus dem später das HAU hervorging, eines der bedeutendsten internationalen Produktionshäuser in Europa. […] Und sie war auch maßgebend dafür, dass sich das Nachwendeberlin seiner neuen Rolle als internationaler Metropole in der Mitte Europas bewusst werden konnte, indem sie früh ein gesamteuropäisches Denken förderte und sich aktiv gegen Geschichtsvergessenheit und Autoritarismus, für Demokratie und Austausch einsetzte.“
Zur Preisjury gehören Theresa Luise Gindlstrasser, Mitglied der Jury des Theatertreffens bis Ende 2023, Matthias Pees, Intendant der Berliner Festspiele, Prof. Dr. Matthias Warstat, Theaterwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und in beratender Funktion Nora Hertlein-Hull, neue Leiterin des Theatertreffens sowie Carolin Hochleichter, ehemaliges Mitglied des Leitungsteams des Theatertreffens.
Die Stiftung Preußische Seehandlung verleiht den Theaterpreis Berlin seit 1988. Der Theaterpreis Berlin ist mit 20.000 Euro dotiert und dient der Auszeichnung von Personen, die sich in besonderer Weise durch ihr Lebenswerk oder herausragende Einzelleistungen um das deutschsprachige Theater verdient gemacht haben.
(Berliner Festspiele, Pressemeldung, 22. Februar 2024)
JANUAR
Zum Tod des Schauspielers Hendrik Arnst (07.05.1950 in Weimar – 02.01.2024 in Berlin)
Am 2. Januar 2024 ist der Schauspieler Hendrik Arnst gestorben, ein Volksbühnenurgestein, von 1994 bis 2012 fest im Ensemble, danach frei für dieses Theater und zuletzt in STURM UND DRANG – Geschichte der Deutschen Literatur I (Regie Julien Gosselin, 2022) als unverfrorener Rezeptionist Mager gefeiert. Nie gab es für das Theater oder für ihn längere künstlerische Pausen in Sachen Volksbühne. Hendrik Arnst gehörte und gehört zum Volksbühnen-Clan.
„… die Freiheit im Spiel heißt, sich von der Wahrhaftigkeit ausgehend auf der Bühne autonom zu machen“ (Hendrik Arnst)
Von 1969 bis 1972 absolvierte Hendrik Arnst die Schauspielschule „Ernst Busch“ in Berlin, und es folgten Engagements an den Theatern in Anklam, Aachen und Mannheim, bevor er 1994 in seiner ersten Produktion an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Pension Schöller: Die Schlacht (Regie Frank Castorf), den Eugen Rümpel spielte. Es folgten in kurzer Zeit viele Inszenierungen wie Die Nibelungen – Born Bad II, Des Teufels General, Dämonen, Schmutzige Hände, Die Sache Danton, Erniedrigte und Beleidigte, Meister und Margarita, Der Idiot, Gier nach Gold, Berlin Alexanderplatz, Die Brüder Karamasow, Der Spieler (alle Inszenierungen in der Regie von Frank Castorf). Hendrik Arnst arbeitete außerdem unter anderem mit den Regisseuren Dimiter Gotscheff (Iwanow), David Marton (Howl) und René Pollesch (Stadt als Beute). Auf mindestens 36 Rollen hat es Hendrik Arnst an der Volksbühne gebracht.
Film und Fernsehen haben nicht lange auf sich warten lassen. Neben dem Polizeiruf, dem Tatort, und Stippvisiten in Serien wie Der Tatortreiniger ist er in den Filmen Duell – Enemy at the Gates von Jean-Jacques Annaud und The Cat’s Meow von Peter Bogdanovich (beide 2001) und Der Hauptmann von Robert Schwentke (2017) zu sehen. Auch hier ein Durchbruch und Beweis seiner Unverwechselbarkeit.
Allein seine Erscheinung – kräftige Statur, die Stimme ein Bariton und sein gutmütiger oder auch rasender Blick – verweist auf seinen Seltenheitswert. Hendrik Arnst war ein Vollblutschauspieler, er gab entweder 100 % oder gar nichts. Über Assoziationen suchte er auf der Bühne die Wahrhaftigkeit. Sein Spiel war immer konkret, der Ton authentisch. „… die Freiheit im Spiel heißt, sich von der Wahrhaftigkeit ausgehend auf der Bühne autonom zu machen“, meinte Hendrik Arnst in einem Interview (Republik Castorf, herausgegeben von Frank Raddatz). Es ging immer um Leben und/oder Gefährdung. Der Mindesteinsatz rote Bäckchen und Schweiß überall. „Ich bin als Spieler nicht mit der Frage beschäftigt: Muss ich jetzt zum Fenster gehen, mich da umdrehen und den Satz sagen oder umgekehrt. Darum geht es nicht. Sondern darum, einen Sog zu erzeugen, der die Dinge in Bewegung bringt, der sie schnell macht und der zwingend ist, dass man als Spieler wie in einem Rausch damit umgehen kann. Das ist wie ein Jimi-Hendrix-Solo.“ (ebenda)
Die Mitarbeiter:innen der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz trauern um einen großartigen Schauspieler, gütigen und tiefsinnigen, zuweilen ironischen Menschen, der zu früh aus unserer Mitte gerissen wurde.
Hendrik Arnst verstarb infolge einer kurzen schweren Krankheit. Die Seebestattung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt im engsten Familienkreis.
(Pressemitteilung Volksbühne amn Rosa-Luxemburg-Platz, 7.1.2024)