Tief verwurzelt und rausgerissen
Künstler:innen aus Berlin und der Ukraine im Exil
Tief verwurzelt und rausgerissen
Künstler:innen aus Berlin und der Ukraine im Exil
In BERLIN GLOBAL treffen die ukrainischen Künstler:innen Yevheniia Havrylenko (Kuratorin), Stas Zhyrkov (Theatermacher), Inna Vorobets (Flötistin), Olena Dombrovska (Malerin) auf drei Berliner Persönlichkeiten der Vergangenheit (Valeska Gert, Julia Kerr, Anni Albers) – vertreten durch die Berliner Kunsthistorikerin Dr. Martina Weinland. Über biografische Annäherungen versuchen die Protagonist:innen von heute und damals sich mit dem Thema Exil auseinanderzusetzen.
Den einen wurde die NS-Zeit zum Verhängnis, die anderen erleben gerade durch den Krieg in der Ukraine, was es bedeutet, wenn kein Bleiben möglich und Fortgehen nicht gleich Ankommen ist. Fast 90 Jahre trennen beide Künstler:innengenerationen und dennoch stellen sie sich die gleichen Fragen:
Wie verändert das Exil meine bisherige Arbeit? Wie gehe ich mit dem Gefühl um, nichts oder nur wenig ändern zu können? Und wie kann mir Kunst helfen, meine Identität neu zu finden und trotz der veränderten Lebensumstände zu bewahren?
Begleitet wird die Veranstaltung durch eine Tanzperformance. Die Moderation übernimmt Dr. Dorothea Schöne, Direktorin des Kunsthaus Dahlem.
BETEILIGTE:
Yevheniia Havrylenko (geb. 1992, Dnipro/Ukraine) ist Kuratorin für Kunstprojekte. Vor ihrer erzwungenen Evakuierung aus der Ukraine im März 2022 aufgrund der anhaltenden russischen Invasion arbeitete sie im M17 Contemporary Art Center (Kiew). Im Frühjahr/Sommer 2022 war sie als eingeladene Kuratorin an der Durchführung der ersten paneuropäischen Messe für digitale Kunst (EDAF) beteiligt, die von der Plattform V-Art organisiert wurde. Im November 2022 zeigte sie auf Initiative des Deutschen Künstlerbundes im BABYLON-Kino (Berlin) das Filmprogramm „How does it feel?“ mit Werken ukrainischer Künstler:innen, die sich mit dem Thema Leben im Krieg auseinandersetzen. Seit Juni 2022 ist sie als Gastkuratorin am Kunsthaus Dahlem (Berlin) tätig.
Der Theaterleiter Stas Zhyrkov (geb. 1986 in Ufa/Bashkortostan) kam im Alter von fünf Jahren in die Ukraine, studierte dort und war bis Februar 2022 Direktor des Kiewer Left Bank Theaters. Der Krieg zwang ihn zur Emigration, ansonsten hätte er bleiben und kämpfen müssen. Sein jüngstes Stück „Sich waffnend gegen eine See von Plagen“ wurde im September 2022 in der Berliner Schaubühne aufgeführt. Der Titel zitiert eine Stelle aus Hamlets Monolog „Sein oder nicht sein“. Dieses Shakespeare-Stück wollte Zhyrkov ursprünglich im Februar 2022 in Kiew inszenieren, als die russische Invasion begann. Nun thematisiert er im Exil die Frage, was es mitKünstler:innen, die zu den Waffen greifen müssen, macht und wie es ihnen ergeht, wenn sie sich dagegen entscheiden. Die Presse schrieb dazu: „Ukrainische Theatermacher zeigen an der Berliner Schaubühne ein beklemmendes Kriegsstück“. Im Januar 2023 verließ Zhyrkov Berlin und arbeitet heute an einem Theater in Vilnius/Litauen.
Die Malerin und Grafikerin Olena Dombrovska (geb. 1985 in Odessa/Ukraine) ist eine in der Ukraine sehr bekannte Künstlerin. Zusammen mit anderen gründete sie die Organisation KNO Kyiv Non Objective. Mit dem Beginn der russischen Invasion verließ sie Kiew und bereiste verschiedene europäische Länder auf der Suche nach einer neuen Bleibe. Trotz der großen Unterstützung, die sie überall erfuhr und der guten Arbeitsmöglichkeiten, die ihr angeboten wurden, litt sie so stark unter Heimweh, dass sie sich nach acht Monaten entschied, in die Ukraine zurückzukehren, obwohl sie große Angst hat vor dem dortigen Krieg.
Die Flötistin Inna Vorobets (geb. in Lviv/Ukraine) begann im Alter von zehn Jahren mit dem Flötenspiel. Während ihres Studiums trat sie zusammen mit der Gruppe für zeitgenössische Musik Meitar Ensemble in Jerusalem, Israel, auf. Seit 2013, und bevor sie dem Ukho Ensemble als Soloflötistin beitrat, war Inna Vorobets Piccoloflötistin im INSO-Lviv Symphony Orchestra. Von 2019 bis 2021 war sie auch als Soloflötistin des Kiewer Symphonieorchesters tätig. Inna Vorobets erhielt mehrere Stipendien und Preise, darunter das ukrainische Präsidentenstipendium für junge Künstler 2019-2021, das Gaude-Polonia-Stipendium 2021 in Warschau, den 1. Preis beim Wettbewerb für zeitgenössische Musik 2018 an der Jerusalem Academy of Music and Dance und das Meitar-Ensemble-Stipendium für herausragende Studenten.
Dr. Martina Weinland studierte an der Freien Universität Berlin Kunstgeschichte, Germanistik und Theaterwissenschaften und schloss diese Studiengänge 1989 mit der Promotion ab. Von1992 bis 2017 war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin im Stadtmuseum Berlin und dort von 2018 bis 2022 als Beauftragte für kulturelles Erbe für die unselbstständigen Stiftungen zuständig.
Dr. Dorothea Schöne ist Kunsthistorikerin und künstlerische Leiterin des Kunsthaus Dahlem. Sie studierte Kunstgeschichte, Politische Wissenschaften und Philosophie an der Universität Leipzig. An der Universität Hamburg promovierte sie 2015 zum Thema „Berliner Nachkriegsmoderne“.
Weitere Biografien:
Die Tänzerin Valeska Gert (geb. 1892 in Berlin, gest. 1978 in Kampen/Sylt) stand für Freiheit und Unangepasstheit. Mit ihrer ungeheuren Vitalität gelang es ihr, sieben Exilstationen zu überleben und 1949 nach Deutschland und Berlin zurückzukehren, ehe sie sich 1951 endgültig in Kampen auf Sylt niederließ.
Die Komponistin Julia Kerr, auch Julia Kerwey (geb. 1898 in Wiesbaden, gest. 1965 in Berlin), stand am Anfang ihrer Karriere, als die drohende Verfolgung des NS-Staates sie und ihre Familie bereits im Februar 1933 zur Flucht und ins Exil zwang. Für viele Jahre musste sie ihre Passion aufgeben, um sich und ihre Familie mit Hilfsjobs durchzubringen. Erst etliche Jahre nach Kriegsende und nach ihrer Rückkehr nach Deutschland und Berlin konnte sie ihre Profession in der Musik wiederaufnehmen.
Die Textilkünstlerin Anni Albers (geb. 1899 in Berlin, gest. 1994 in Orange/Connecticut) erhielt ihre Ausbildung am Bauhaus in Weimar. Erst im Exil fand sie zu ihrer Berufung und sah in den Freiheiten in Amerika ihre großen Chancen. Zurück nach Deutschland wollte sie auf keinen Fall.
- ab 14 Jahren
- Preis: 5,00 EUR, ermäßigt 3,00 EUR
- Ort: BERLIN GLOBAL, 1. OG
- Sprache: Englische Simultanübersetzung, Deutsch
Dauer
2 Stunden
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Humboldt Forum
Schlossplatz10178 Berlin
3,00 EUR - 5,00 EUR