Oper. Mord & Totschlag
Klaus Lederer & Die Staatsstreicher wildern in Sachen Wagner
Oper. Mord & Totschlag
Klaus Lederer & Die Staatsstreicher wildern in Sachen Wagner
Da erörtert zunächst einmal ein juristisch promovierter Kulturpolitiker, ob man Opern mit ihren gewaltverherrlichenden, sexistischen und anstößigen Inhalten überhaupt noch aufführen darf – angesichts von Umbenennungsdebatten eine brandaktuelle Frage! Grundlage ist das Traktat eines gewissen Herrn von Pidde, dem es „um nichts Geringeres als um die schonungslose Entlarvung der Musikdramen insbesondere Richard Wagners als Abfolge orchestral aufgeputzter Straftatbestände“ geht. Der fachlich versierte Autor kommt in seiner scharfsichtigen juristischen Analyse zum Schluss, dass angesichts solcher Unmoral „die Oper eine aussterbende Gattung“ sei.
Und da sind die „Staatstreicher“. Ihrer musikalischen Heimat, der Berliner Lindenoper, bescherte die Wagner-Pflege der letzten anderthalb Jahrhunderte den Beinamen „Winter-Bayreuth“; 2002 beispielsweise führte Barenboims Staatskapelle in nur 14 Tagen alle 10 Wagner-Opern auf. Die Gegenreaktion auf diese Übersättigung ließ freilich nicht lange auf sich warten: Ein Ensemble wurde gegründet, das sich sowohl der radikal inhaltlich-thematischen wie musikalisch-parodistischen Neubewertung der Werke – (nicht nur) Wagners – widmete. Vorwiegend mit, zwischen Bayreuth und Berlin entstandenen, Arrangements für Bratschen(!)-Quartett. Da besingt der fliegende Holländer kurzerhand die Matrosenliebe, der große Rosenkavalier mutiert zum kleinen Kaktus, die Nibelungen machen eine Wachtparade und Siegfried bekommt seinen Zauberdrachen.
Auf unterhaltungsmusikalische Abwege geratene Opernkurzfassungen also, die im Programm „Comedian Violists in Sachen Wagner“ mit den augenzwinkernden juristischen Erörterungen der Straftatbestände der Ring-Charaktere kombiniert werden. Von Ehebruch, Verschleppung, Blutschande, Tierquälerei und Brandstiftung bis hin zu Mord und Totschlag leisten sich hier Götter, Menschen, Zwerge und Riesen Rechtsbrüche in „einem Maße, das die trübsten Befürchtungen weit übersteigt“. Detailverliebt wird etwa zum Sachverhalt „Walküre“ gefragt, ob Hundings Eschenbaum untrennbarer Teil der Wohnungseinrichtung sei, denn nur so könne bewiesen werden, ob das herausgezogene Schwert rechtmäßiges Eigentum Siegmunds sei. Und mit Bedauern konstatiert der Autor die Nichtstrafbarkeit des sich unmittelbar anschließenden inzestuösen Ehebruchs, dessen Vollzug Wagner mit der Regieanweisung „Der Vorhang fällt schnell“ – wenigstens! – dem Publikum erspart hat.
Dieses Format spricht nicht nur Wagnerianer an, sondern auch Freunde des musikalischen Kabaretts sowie der Schlager der 20er Jahre. Es setzt weder juristische noch musikalische Vorbildung voraus.
Zusammengearbeitet haben die seit knapp zwei Jahrzehnten real existierenden Staatsstreicher mit namhaften Rezitatoren vom Schauspieler Thomas Thieme bis hin zum Politiker Gregor Gysi. Bespielt wurden neben der Staatsoper u.a. auch das Bundesjustizministerium, die Humboldt-Universität, die Dresdner Musikfestspiele und die Berliner Philharmonie. Mit Klaus Lederer traten die Staatsstreicher bereits in Wroclaw auf.
Dauer
1 Stunde 10 Minuten
Web
Besetzung
Renaissance-Theater Berlin
Knesebeckstraße 100Ecke Hardenbergstraße
10623 Berlin
17,00 EUR - 31,00 EUR