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Offener Brief der frei produzierenden Künstler*innen
an die Bundesregierung und die Beauftragte für Kultur und Medien

Über 300 Künstler*innen, Ensembles und Kollektive aus den freien darstellenden Künsten aus ganz Deutschland haben sich in einem Offenen Brief an die Bundesregierung und die Beauftragte für Kultur und Medien gewandt. Gemeinsam fordern sie eine geregelte Koordination der föderalen Aktivitäten zur Abfederung von Einnahmeausfälle sowie eine gezielte Förderung insbesondere der frei produzierenden Künstler*innen durch den Bund. Die Heterogenität innerhalb der Freien Szene mache vor allem eine Vereinheitlichung von Soforthilfen nötig, damit diese der Arbeitsrealität und den realen Bedarfen von freischaffenden Künstler*innen angemessen ist.
Die Unterzeichner*innen des "Brandbriefs" bitten Bundesregierung und BKM "eindringlich" darum, sich gegen die Aussetzung der begonnenen Maßnahmen zu verwenden und appelieren, "diese im Gegenteil noch zu erweitern". Angesichts der akuten Bedrohung zahlloser Existenzen in der gegenwärtigen Lage drohe anderenfalls nach dem Ende der Krise eine Kunstlandschaft ohne frei produzierende Künstler*innen.
Der Brief im Wortlaut:
"Die akute gesellschaftliche und wirtschaftliche Krise, die durch die Covid-19 Pandemie ausgelöst worden ist, trifft Solo-Selbstständige und insbesondere Künstler*innen besonders hart. In vielen Fällen ist eine prekäre Lebens- und Arbeitssituation in diesem Berufsfeld Alltag, ein Alltag, der es kaum erlaubt, Rücklagen für Ausfälle zu bilden, schon gar nicht für längerfristige oder gar ungewisse Zeiträume, wie sie im Moment zur Diskussion stehen. Die aktuelle Situation, in der Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten weitgehend wegbrechen, stellt viele Künstler*innen darum vor existentielle Nöte.
Darum waren wir als im kulturellen und künstlerischen Bereich tätige Solo-Selbstständige und Freie Gruppen sehr froh und dankbar darüber, dass sowohl die Länder als auch der Bund sehr schnell und unbürokratisch Soforthilfe-Programme aufgesetzt haben, um dieser Situation einer existentiellen Gefährdung zu begegnen. Allerdings passiert dies in den unterschiedlichen Bundesländern in ganz unterschiedlicher Weise und führt zu einer heterogenen Lage, was die Soforthilfen anbetrifft. Hier wäre eine Angleichung und Vereinheitlichung von Soforthilfen, die sich an der Arbeitsrealität und den realen Bedarfen von Künstler*innen ausrichten, wünschenswert und dringend notwendig.
Doch aktuell scheint eine ganz andere Situation einzutreten, die wir als großen Rückschritt in den Hilfsangeboten beschreiben müssen. Denn selbst dort, wo Soforthilfe-Programme schnell aufgesetzt wurden und eine Unterstützung der in Not befindlichen Künstler*innen versprochen worden ist wie etwa in Berlin und NRW, hat sich nach gerade einmal zwei Wochen die Situation vollkommen verkehrt. Die zu Beginn bereitgestellten Summen reichen offensichtlich bei Weitem nicht aus, um den existierenden Bedarf abzudecken. Die meisten Mittel sind bereits erschöpft, die Programme, gerade erst ins Leben gerufen, werden bereits wieder geschlossen, ohne dass die reale Dimension von Notlage und Hilfebedarf auch nur annähernd erreicht oder abgedeckt wäre. Ohne zusätzliche Mittel droht daher erneut das oben beschriebene Szenario einer existenzbedrohenden Lage für sehr viele Personen und Gruppen: Mieten sind nicht mehr bezahlbar, Lebensunterhalte können kaum mehr bestritten werden, die Situation für Künstler-Familien mit Kindern ist besonders prekär. Zudem entsteht eine äußerst problematische, weil ungerechte Gemengelage innerhalb der Szene der Kulturschaffenden und Künstler*innen, da diejenigen, die in den ersten Tagen des Programms ihren Antrag gestellt haben, bereits das Geld auf dem Konto verbuchen können, während andere sich in einem ungewissen Wartemodus befinden und wieder andere gänzlich leer auszugehen drohen. Mit fatalen Konsequenzen, wenn sich diese ungewisse Situation nicht möglichst rasch auflöst. Es droht am Ende eine Kunstlandschaft ohne die frei produzierenden Künstler*innen!
Als eine der ersten Förderstellen in Deutschland hat der Fonds Darstellende Künste mit seiner sofortigen Förderanpassung -und der ausgeschriebenen #takecare Förderung auf die aktuelle Krise reagiert und eine Möglichkeit für Künstler*innen der freien Darstellenden Künste geschaffen, sich mit Konzepten, die sich auf die gegenwärtige Situation explizit beziehen und von ihr ausgehend Vorhaben vorschlagen, die sich unter den gegebenen sozialen und gesundheitlichen Umständen umsetzen und bearbeiten lassen, auf eine Förderung zu bewerben. Eine solche Förder-Initiative ist von unserer Seite sehr zu begrüßen, ermöglicht sie nicht nur eine gewisse existentielle Absicherung, sondern auch das Weiterarbeiten von Künstler*innen im Angesicht dieser gesamtgesellschaftlich prekären Lage. Dass dies für das gesellschaftliche Miteinander und auch für Perspektiven für die Zeit sowohl in wie nach der Krise von großer Bedeutung ist, zeigt sich im Moment allenthalben, gehören doch künstlerische und kulturelle Angebote, etwa im Internet, derzeit zu den wichtigen Programmen, mit denen wir alle das Leben in der Isolation besser bestreiten und erträglicher gestalten können. Grundsätzlich wird eine solche Fördermaßnahme auch von dem Leitsatz getragen: besser die künstlerische Arbeit absichern, als die Beschäftigungslosigkeit aufzufangen. Doch auch das so wichtige und klug aufgesetzte Programm des Fonds stößt bereits in seiner ersten Runde an die finanziellen Grenzen eines deutlich größeren Bedarfs, wie wir ihn oben bereits erwähnt haben. Auf der Facebook-Seite des Fonds heißt es dazu:
„Der Fonds Darstellende Künste veröffentlicht Zahlen zu seinem Förderprogramm #takecare. Obwohl dieses Programm zunächst ausschließlich für zuvor bereits vom Fonds geförderte Künstler*innen und mit einer Antragsfrist von nur zehn Tagen ausgeschrieben wurde, sind rund 120 Anträge eingegangen. Die dargelegten Ausfälle in den Anträgen belaufen sich auf eine Gesamtsumme von 1,2 Millionen Euro. Dies entspricht Einbrüchen für die freie darstellende Kunstproduktion von durchschnittlich 10.000 Euro an Einkünften je Antragsteller*in. Die Antragssumme aller eingegangenen Anträge beläuft sich auf eine knappe halbe Million Euro.“
Mit diesem Schreiben möchten wir die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien dringend darum bitten, sich sowohl für die Fortsetzung der Soforthilfe-Programme für Künstler*innen, Kulturschaffende und Solo-Selbstständige einzusetzen und eine Länderübergreifenden Abstimmungsprozess zu begleiten als auch zu prüfen, ob zusätzliche Mittel und Zuwendungen an den Fonds bereitgestellt werden können, mit denen die Fortsetzung und Erweiterung der durch den Fonds angebotenen Förderung gewährleistet werden könnte, welche wir als Betroffene als ein äußerst sinnvolles und hilfreiches Programm in der aktuellen Lage erachten. Wir möchten Sie eindringlich darum bitten, sich gegen die Aussetzung der begonnenen Maßnahmen einzusetzen und diese im Gegenteil noch zu erweitern, um die prekäre Situation von Künstler*innen kurzfristig zu verbessern und die Bedrohung zahlloser Existenzen langfristig abzuwenden: als Sorge um eine starke und vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft in Deutschland für die Zeit während und auch nach der Krise."
PDF mit Wortlaut und Liste der unterzeichnenden Künstler*innen